Hi,
vielleicht sollte man an dieser Stelle mal etwas gerade rücken:
Zum Wort Rasse, Rassenrein:
"Rasse
[französisch]: Gruppe von Lebewesen, die sich durch ihre gemeinsamen
Erbanlagen von anderen Artangehörigen unterscheiden. In der zoologischen
Systematik wird der Begriff Rasse synonym mit Unterart (Subspezies)
gebraucht." (Quelle: Meyers Lexikon online)
Diese Definition ist nicht ganz richtig! Und nur weil der Begriff der Rasse taxonomisch nicht relevant ist, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt oder nur ein Marketinggag von irgendwelchen Züchern ist. Zwar wird von einigen Zoologen der Begriff Rasse gleich mit Unterart oder geographische Rasse verwendet, jedoch gab es ursprünglich mal Unterschiede zwischen diesen Begriffen. Eine Rasse wurde als eine Population einer Art oder Unterart angesehen, die eine Niesche bewohnt und gewisse Gemeinsamkeiten aufweist. Da innerhalb eines Verbreitungsgebietes einer Art oder Unterart ja nicht jeder Lebensraum (= Niesche) exakt gleich ist, sondern durchaus klimatische- oder ökologische Unterschiede bestehen können, sprach man bei solchen Fällen von einer Rasse (= lokale Population einer Unterart). Insofern macht eine Unterscheidung in Rassen natürlich auch bei Schlangen Sinn, zeigt sie doch die Zugehörigkeit zu einer Population. Die Probleme, welches sich in der Praxis der Terraristik aber stellen sind a) Wissen wir exakt, aus welcher lokalen Population das Tier stammt? (Es gibt auch bei Belize-Boas mehrere Populationen im Verbreitungsgebiet); b) Können wir sicher sein, dass das Tier nicht evtl. aus einer Verpaarung aus angrenzenden (anderen Populationen) Elterntieren stammt? c) Können wir bei Nachzuchttieren, für deren Eltern wir a) und b) nicht beantworten können überhaupt noch eine belastbase Herkunftsangabe machen (unabhängig von morphologischen Merkmalen, die auch evtl. eingekreuzt sein können)? und d) Wissen wir überhaupt, wodurch sich eine vermeintlich spezielle Rasse auszeichnet (also z.B. welche morphologischen Besonderheiten eben genau diese Population aufweist)? Selbst bei Wildfang-Tieren wird ziemlich gemogelt, und man wird in den seltensten Fällen wissen oder herausfinden, wo exakt das Tier gesammelt wurde. Gerade z.B. bei Indonesischen Tiere (auch aus Papua) wird gerne über weite Regionen gesammelt und diese dann an einen zentralen Ort zum Export verbracht. Da kann ein Tier aus Merauke, Timika oder FakFak stammen, welches dann nach Sorong verbracht wird, weil dort der Flughafen ist. Auf den Importpapieren steht dann entweder nur Papua, Indonesien oder aber Sorong, weil die Tiere eben von dort exportiert wurden. Ähnlich ist es auch in Südamerika.
Gerade bei der sich ändernden Taxonomie und Systematik aufgrund von neuen Erkenntnissen und Untersuchungen kann es aber durchaus sein, dass man entweder zwei Populationen einer Art in zwei Arten aufspaltet, wie es z.B. beim grünen Baumpython geschehen ist, oder aber man fasst zwei getrennte Unterarten oder Arten wieder zusammen, weil die Unterschiede derart gering sind, dass die Beibehaltung keinen Sinn macht. Das kommt vor allen Dingen dann vor, wenn die ursprüngliche Beschreibung älteren Datums ist, und die Unterscheidung alleine auf morphologischen Merkmalen beruht. Oft genug sind eben solche morphologischen Merkmale nicht ursprünglich genetisch sondern stellen eine gewisse Adaption dar, die sich in den Genen nicht wiederfinden lässt. So geschehen bei den nordamerikanischen Natternarten der Gattungen
Elaphe,
Pantherophis und
Lampropeltis. Man muss sich also auch etwas mit der historischen Taxonomie einer Art beschäftigen, um zumindest etwas Verständnis für die Unsinnigkeit von "Reinrassigkeit" aufzubringen. Ein klassisches Beispiel sind dabei die Teppichpythons. Damals wurde alles als Morelia spilota variegata bezeichnet, bis 1984/1985 Wells & Wellington eine Arbeit verfassten, die von den meisten Herpetologen nicht anerkannt wurde. Darin beschrieben sie die heute bekannten Unterarten (damals als Arten)
cheynei,
mcdowelli und
metcalfei. Erst 10 Jahre später griffen Dave & Tracy Barker diese Namen wieder auf und fühten in ihrem Buch "Pythons of the World, Vol. 1" diese Namen als Unterarten dann tatsächlich ein. Zu diesem Zeitpunkt exportierte Australien aber schon nicht mehr, so dass alles, was bis dahin bereits draußen war als
Morelia spilota variegata gehandelt und damit auch verpaart wurde. Nach dem Buch kam dann die große Welle. Jedes Tier, was ein bisschen gelb war war auf einmal ein
cheynei, jedes rötlich-braun-beigefarbendes Tier ein
mcdowelli und jedes silbergrau-schwarz-weiße Tier mit ZigZack-Zeichnung wurde ein
metcalfei. Heute kann niemand mehr mit Gewissheit sagen, was er da in seinen Tieren alles drin hat, egal ob die Tiere von Paul oder Marc stammen oder von irgendwelchen US-amerikansichen Händlern. Hinzu kommen dann noch die ganzen merkmalsbetonten Auswahlzuchten...Und im Falle des achso geliebten Papua-Teppichpythons, der vermeintlich als
Morelia spilota harrisoni bezeichnet wird, habe ich bereits vor einigen Tage (mal wieder) etwas in der Grube geschrieben. Das ist alles Firlefanz!
Kurzum, die Verwendung der Begriffe Rasse und vor allen Dingen "Reinrassigkeit" machen in der Terraristik eigentlich keinen Sinn und verwirren die Leute nur. Im schlimmsten Falle suggerieren sie, dass man für die Tiere a) bis d) beantworten kann und das dieses ein "Qualitätsmerkmal" eines Züchters sei. Aber auch dieser kann die Fragen nicht beantworten. Vielleicht will er damit aber auch nur ausdrücken, dass er Tiere verpaart hat, die die gleichen morphologischen Merkmale aufweisen (wie er sie für eine gewisse Population für richtig hält), was letztendlich nichts anderes ist als eine Auswahlzucht...Ob da böse Absicht, versuchter Betrug oder sonst etwas hintersteckt, vermag ich nicht zu beurteilen.
In diesem Sinne viel Spaß bei der Diskussion um Rassen und Reinrassigkeit